Ich komme zurück aus einer besonderen Woche, voller Eindrücke, die mich bewegen und zuversichtlich machen. Am Montag, genau 9 Monate, nachdem ich Christine zuerst ins Krankenhaus einlieferte, haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht. Wir waren an der Uniklinik Magdeburg zur Kontrolluntersuchung in der Neurologie. Aufgrund ihrer Hirntumorerkrankung muss Christine regelmäßig ein MRT vom Kopf erstellen lassen, wir waren daher zur Nachbesprechung des Befundes angereist. Und – für uns ist es ein Wunder – die Ergebnisse sind sehr gut, die Region, wo der Tumor entfernt wurde ist unverändert stabil und unauffällig. Da Christine außerdem vor kurzem ihre Chemotherapie abgeschlossen hat, werden wir bald gemeinsam in unsere Auszeit aufbrechen können. Mit dieser guten Nachricht im Rücken konnte ich mich unbeschwert auf den Weg machen, um für den Einstieg in den Ausstieg einen persönlichen Startpunkt zu setzen.

Mein Ziel: Unser kleines, fast schon historisches Segelboot (es ist Baujahr 1970) in Flensburg, Mit einer befreundeten Familie zusammen haben wir hier ein Refugium zum “Herunterkommen” aus dem Alltag, ein echtes Privileg.

Mein Programm: Fünf Tage mit mir und der Ostsee allein, ein paar Bücher, mich von Wind und Wetter an schöne Orte treiben lassen und dabei die beginnende Ruhe um mich herum und in mir spüren.

“Ich meine, dass Stille der neue Luxus ist. Stille enthält eine Qualität, die exklusiver ist als jeder andere Luxus”.

Der Norweger Erling Kagge in seinem Buch “Stille”, Insel Verlag

Ein Hauch von diesem Luxus habe ich in den Tagen verspürt: Ich konnte total im Hier und Jetzt sein. Konzentriert beim Segeln und Steuern das Bootes, gleichzeitig voll im Genuss der Ausblicke auf die Ostseeküste, die sich mir boten: Über dem tiefen dunkelblau der Ostsee strahlen die Steilküsten in einem warmen Oker auf, dahinter ziehen sich hellgrüne Felder, nur unterbrochen von saftig dunkelgrünen Hecken und Baumgruppen, die sanften Hügel hinauf. Darüber wölbt sich ein hellblauer Himmel auf dem weiße Wolken gemächlich vorbeitreiben. Durch diese Landschaft segeln bedeutet ca. 6 – 10 km pro Stunde zurücklegen, Entschleunigung pur!

Ich habe mich entschieden das Entschleunigungs-Erlebnis noch zu vertiefen: Es gibt einen Küstenweg von Flensburg bis auf die Halbinsel Als, es ist der historische Gendarmenweg. Er ist seit 1920 entstanden, als durch Patrouillen der Zollpolizei die Küste überwacht wurde. Heute kann man hier auf gut beschilderten Wegen wandern. Ich habe meine Wanderung als Pilgertour gestaltet. Dabei nehme ich einen guten Satz aus der Bibel (hier bieten sich besonders die Psalmen an) und meditiere ihn immer wieder auf dem Weg. Alles was mir begegnet oder was ich sehe interagiert mit mir und führt zu neuen Gedankenimpulsen. Höhepunkte waren die beiden Kirchen, die ich besucht habe und das Erlebnis, dass auf dem Weg alles so vortrefflich für mich vorbereitet war: Der kühlende Schatten der Bäume, das erfrischende Bad am kleinen Traumstrand, der Busfahrer der mich auf dem Rückweg nach Sonderborg ohne Fahrschein mitfahren lies, weil ich die notwendige APP nicht hatte und man das Ticket nur per App bezahlen konnte.

Ein schöner Einstieg in das Experiment, im nächsten halben Jahr dem Geheimnis der Stille weiter auf die Spur zu kommen.

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